Hände und Blumen - Tweed & Greet

Zeit hier mal Tacheles zu reden. Früher habe ich mir nie wirklich viele Gedanken über meine Hände gemacht. Ja, früher! Ich hab‘ da eine ganz besondere Zeitrechnung. Früher, das ist nämlich die Zeit, bevor ich anfing zu nähen. Das war vor knapp fünf Jahren. Ich war keine große Bastlerin, ich malte nicht und mit Handarbeit konnte man mich ernsthaft jagen. Die Wahrheit aber ist: Ich glaubte nie daran, wirklich gut darin zu sein, etwas mit den Händen zu tun. Ganz im Gegenteil, ich hielt meine Hände für absolut ungeschickt. Das bedeutet im Umkehrschluss, liebe Leute, dass ich erst 1/8 meines ganzen Lebens damit verbringe, mit Freude und Selbstvertrauen etwas mit den Händen zu kreieren. Ein Achtel!

Hände und Blumen - Tweed & Greet

Betrachte ich heute meine Hände, dann sehe ich, wie sie sich verändert haben. Vertrauen in ihre Geschicklichkeit bekam ich erst mit dem Nähen. Ich löste mich von dem Ungeschicklichkeitsgedanken und konzentrierte mich auf den Wunsch, nähen lernen zu wollen. Und ja, es war früher eher ein ungewohntes Gefühl, mit Stecknadeln und Stoff zu hantieren. Umso mehr genieße ich heute die routinierten und geschickteren Handgriffe.

Ich lernte, wie akribisch meine Hände eigentlich sind. Und wie sie mir dabei helfen, genau die Idee nach meinen Wünschen umzusetzen. Sie teilen mir mit, ob ein Stoff sich geeignet für ein Projekt anfühlt. Und unterstützen mich dabei, ihn Schnitt für Schnitt und Naht für Naht so zu verarbeiten, wie ich ihn haben will.  Was für ein eingespieltes Team meine Hände und ich sind! Sie wissen genau, was sie tun sollen. Und wenn nicht, dann probieren wir es gemeinsam, bis es klappt. Auch wenn’s manchmal frustet. Wir üben. Bis wir Meister werden! Immer wieder auf’s Neue.

Meine Hände sind perfekte Helfer meines Kopfes. Das waren sie auch schon die restlichen 7/8 meines Lebens. Also früher. Ich habe sie eben nur mit anderen Dingen beschäftigt: Erfühlen, Schreiben, Kochen, Streicheln, Halten, Tragen, Gestikulieren, Tippen – bei all dem hatten sie mich schon immer wunderbar unterstützt. Nur nicht beim Erschaffen. Aber eben auch nur, weil ich sie nie gelassen habe. Ich hatte kein Vertrauen in sie. Und ich hatte mich geirrt.

Ich sehe fragende Gesichter da in den ersten Reihen: Wieso erzählt sie uns das jetzt, frag ihr Euch. Es ist so: So oft höre ich Leute ganz leichtfertig sagen, sie hätten zwei linke Hände oder sie wären nicht geschickt oder talentiert genug, um zu nähen oder etwas anderes mit ihren Händen zu tun. Und so oft will ich sie einfach mal durchschütteln. „Nee! Biste nicht! Fang einfach an und übe! Und dann klappt’s! Echt!“ Wirklich, übe. Denn unsere Hände sind Gewohnheitstiere. Und sie lernen schneller als wir denken. Man muss einfach nur mal starten und konsequent weitermachen.

Habt Vertrauen in Eure Hände und traut Euch loszulegen. Ihr wollt auch lernen zu nähen? Dann fangt an. Schaut mal, man munkelt, ich hätte schon mal einen Beitrag mit Tipps verfasst, wie ihr ganz entspannt mit dem Nähen starten könnt. Nur mal so am Rande. Ihr würdet so gern mal zeichnen? Was hindert Euch daran, einen Stift in die Hand zu nehmen und loszulegen? Jeden Tag ein kleines bisschen üben? Ihr wollt töpfern? Kauft Euch Ton und beginnt! Stricken? Hier bitte, hier habt ihr Stricknadeln und Wolle, sucht Euch jemanden, der es Euch zeigt und legt los!

Zögert nicht über zwei vermeintlich linke Hände. Gebt Ihnen etwas Zeit, lasst sie sich an die neuen Bewegungen gewöhnen und sie werden Euch nicht enttäuschen. Ehrenwort!

Liebste Grüße,

Eure Selmin

Hände und Blumen - Tweed & Greet

 

Selmin Ermis-Krohs

Als Slow Fashion & Living Enthusiastin bin ich der kreative Kopf hinter dem Blog Tweed & Greet und Co-Founderin des Kölner DIY Fashion Labels Schnittduett. Ich bin Buchautorin von zwei Nähbüchern, Fotografin, Designerin, Content Creator, Multilinguistin, stolze Hundemama und ich glaube sehr stark daran, dass wundervolle Dinge geschehen können, wenn man sich erlaubt, ein langsameres und kreativeres Leben zu führen. Mit Ideen rund um mein Steckenpferd DIY Fashion zeige ich hier neben nachhaltiger und selbstgenähter Mode, Anregungen, die euch anfeuern sollen, mehr Kreativität in den Alltag zu bringen und auch mal etwas Langsamkeit zu zelebrieren.

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10 Kommentare

  1. Antworten

    HOHELUFT handmade

    8. Juni 2017

    Ein schöner Beitrag – und so wahr! Man kann so viel mehr, wenn man sich erst einmal traut. Aber es stimmt schon, Anfänge und das mit ihnen verbundene Unzulänglichkeitsgefühl können auch ganz schon beängstigend und einschüchternd sein (Kate von fabrickated.com hat das hier ganz wunderbar treffend beschrieben: http://fabrickated.com/2016/09/24/the-unbearable-challenge-of-learning-my-first-jersey/). Und ich weiß selbst noch wie ich bei meinen ersten Nähschritten im wahrsten Sinne des Wortes zitternd vor der Maschine gesessen habe. Aber wenn man diese Phase des Sich-vollkommen-unzulänglich-Fühlens hinter sich hat (und das geht schneller, als man denkt), dann wartet so viel Tolles, Neues auf einen! Für mich hat es auf jeden Fall neue Welten geöffnet. Und es hat mich selbstbewusster gemacht. Von den vielen schönen Kontakten mal ganz zu schweigen 😉
    Hab einen schönen Tag, Selmin!
    Liebe Grüße
    Wiebke

  2. Antworten

    steffiklapetekde

    8. Juni 2017

    Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich finde, gerade das immer wieder Neulernen, mit jedem Projekt und jeder neuen Technik bereichert mein Leben ungemein. Und ich habe das Gefühl, dass ich durch das Nähen / Baseln / Selbermachen auch wieder gelernt habe, mich nur auf eine Sache zu konzentrieren. Nur an einem Projekt zu arbeiten und nicht fünf gleichzeitig zu jonglieren hilft mir, mich auch außerhalb meines Hobbys wieder stärker zu fokussieren.
    Vielen Dank, dass du das so schön in Worte gefasst hast.
    Liebe Grüße, Steffi

  3. Antworten

    Carina

    8. Juni 2017

    Als Linkshänderin bin ich mit zwei linken Händen gesegnet 😉
    Danke für einen wunderbaren Blogpost – Carina.

  4. Antworten

    Fredi

    8. Juni 2017

    Ich bin da ja immer genau andersherum rangegangen. Immer malen, Kneten, basteln! Ich dachte viel zu lange, dass meine Hände das einzige sind, das irgendwas akzeptables hervorbringen können. Dass mein Kopf das auch kann – und schon immer konnte – musste ich erstmal lernen ;P
    Aber im Grunde hast du ja trotzdem recht – wenn man es nicht versucht, wird man die restliche Zeit seines Lebens denken, dass man etwas nicht kann!
    Und jetzt geht’s erstmal in die Uni, um zu gucken, ob das mit dem Kopf auch wirklich stimmt… 😀
    Beste Grüße!

  5. Antworten

    Ulla

    8. Juni 2017

    Danke für den Gedankenanstoß! Ich stamme aus einer sehr kreativen Familie, in der ganz viel geschaffen und ausprobiert wurde (meine Mutter war Handweberin, und Wolle, Stoff und ähnliches stand immer zur Verfügung), deshalb bin ich aufgewachsen mit dem Gefühl, dass etwas selber zu machen eine Selbstverständlichkeit ist. Nähen, stricken, häkeln, sticken, aber auch zeichnen, basteln, Gitarre spielen – alles „Hand-Werk“. Gern gemacht, gehört einfach dazu.

    Und dann wurde ich kurz vor vierzig krank, lag ein paar Wochen in der Neurologie und dann war alles ganz anders. Zum Glück verläuft MS oft recht harmlos, wenn man sie so spät bekommt wie ich. Aber übriggeblieben ist ein Taubheitsgefühl in den Fingern, das sich bei Stress verstärkt (stellt euch vor, ihr müsst alles mit dicken Gummihandschuhen machen, und manchmal kribbelt es auch noch wie Brennesseln). Zunächst war ich deshalb auch gefühlsmäßig völlig taub. Ich dachte, jetzt geht gar nichts mehr. Aber was für ein Quatsch! Okay, meine musikalische Virtuosität hat gelitten (ich war aber auch vorher nicht konzertreif ;o)), aber alles andere kann ich weiterhin machen, ich muss halt mehr hinschauen, weil ich z.B. so filigrane Sachen wie Nähnadeln nicht zwischen den Fingern spüre. Aber ich kann weiterhin kreativ sein – vielleicht hat mich diese Erfahrung erst so richtig dankbar dafür gemacht. Jedes fertige Teil bestätigt mir neu, wie gut das ist. Auch oder gerade, wenn es nicht perfekt ist – das bin ich ja auch nicht. Aber das macht nix.

  6. Antworten

    Nria Mond

    8. Juni 2017

    Ich glaube, dass viele Leute „talentiert“ und „erfahren“ verwechseln. Wie oft hört man „Die unglaublich talentierte XY hat wieder soo tolle Dinge gemacht, seht mal hier!“ oder etwas in der Art – im englischsprachigen Raum ist das noch verbreiteter, da wird mit „talented“ (in Bezug auf Handwerker oder Künstler) geradezu um sich geworfen.
    Da kann sehr schnell der Eindruck aufkommen, 99% des Könnens kämen vom angeborenen Talent und nicht vom Üben und daraus schließt man selbstverständlich, dass man selbst das nicht hinkriegt. Denn wenn man eine Sache nicht beim ersten Mal so perfekt hinbekommt wie jemand mit 30 Jahren Übung, hat man wohl zwei linke Hände und ist völlig unbegabt für handwerkliche Dinge :-/

    Mit meinen Händen habe ich schon immer gerne gearbeitet. Meine Anfänge waren trotzdem stümperhaft, aber daraus lernt man ja und irgendwann wirds was 🙂

  7. Antworten

    Marta

    8. Juni 2017

    Vielen Dank für den schön geschriebenen Beitrag!
    Ich bin auch zunehmend dankbar dafür, dass meine Hände (so wenn ich sie lasse) doch so viel können, wenn ich allem nur die nötige Zeit gebe. Unsere Hände sind so komplex und wunderbar und wir merken sie im Alltag manchmal erst, wenn ihre Fähigkeiten durch Handschuhe oder Verletzungen eingeschränkt werden. Ich nehme meine Freund*innen, die einfach behaupten, sie können etwas nicht, nicht mehr so ernst. Ich sehe ja selbst, dass vieles durch Geduld und Übung geht. Ich bin auch keine Maßschneiderin und hab noch super viel zu lernen, aber Spaß hab ich trotzdem. Und Stolz bin ich erst recht, wenn etwas fertig ist. Ich versuche dadurch zu bestärken. Vor zwei Wochen habe ich das erste mal richtig gehäkelt und dadurch hab ich einen neuen gehäkelten Mitbewohner-Elefanten. Ist doch geil. Etwas quasi aus dem Nichts zu erschaffen. 😀

    Viele Grüße
    Marta

  8. Antworten

    Tabea

    8. Juni 2017

    Das hast du toll formuliert – und ich glaube, ich habe es in den letzten Jahren verinnerlicht. Beim Nähen war es ja bei mir auch so, dass ich einfach angefangen habe – ohne Kurs, ohne Anleitung. Mit ein bisschen Üben bekam ich dann sogar recht schnell Komplimente für meine Mäppchen 🙂
    Aber auch Zeichnen und Schreiben übe ich momentan regelmäßig – weil ich es können will. Und gegen die schwarzen Daumen habe ich jetzt einfach Samen gekauft und eingesäht und HOFFE, dass es klappt. Und wenn nicht: Nächstes Jahr noch mal 😉

    Liebe Grüße

  9. Antworten

    Crissie

    10. Juni 2017

    Liebe Selmin, da hast du aber wirklich tolle Worte gefunden. Ich habe auch schon eine Weile einen Beitrag zu diesem Thema im Kopf und muss es nur noch auf Papier bringen. Meine Tante sagte vor einer Weile nachdem sie mein selbstgenähtes Kleid bewundert hat: „Du kannst alles lernen, was du dir vor nimmst.“ Und auch wenn es in diesem Moment auch nur auf das Nähen bezogen waren, sind diese Worte in allen Lebensbereichen so wahr. Denn nur weil man etwas zum heutigen Zeitpunkt noch nicht kann, heißt das ja nicht, dass das für immer so bleibt. Es bleibt nur so, wenn man nie versucht, etwas daran zu ändern.
    Vielen Dank für deine tollen Worte.
    Crissie

  10. Antworten

    Natalie

    17. Juni 2017

    Was für eine Ode an die Hände

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