Die Magie meiner endlosen To-Sew-Liste

To-Sew-Liste: Wortart:  Substantiv, feminin

Liste zu nähender Kleidungsstücke und Accessoires, meist eine nicht endende dynamische Übersicht, die überwiegend im Kopf, auf Papier, in Notizbüchern, Pinterest oder Projekt-Management Apps stattfindet. Es fehlen Überlieferungen dazu, ob jemals eine To-Sew-Liste beendet wurde.

Meine To-Sew-Liste existiert seit ca. sieben Jahren. Seitdem ich angefangen habe zu nähen, hat sich in einer Ecke meines Kopfes eine Schublade entwickelt, aus der ganz harrypotteresk regelmäßig eine Papierrolle hüpft und ein Stift, der selbstständig all die Nähideen aufschreibt, die mir Tag für Tag begegnen. In den vergangenen Jahren ist diese Liste unendlich lang geworden. Und sie wächst jeden Tag ein bisschen mehr: Mit jeder Zeitschrift in der ich blättere, mit jedem Schnittmuster, das mir online erscheint, mit jeder gut gekleideten Frau, der ich begegne. Ich sauge ständig neue Nähideen auf. Würde ich diese Liste tatsächlich mal zu Papier bringen wollen, ich bräuchte Monate.

Meine Liste begleitet mich ständig. Wenn ich arbeite, beim Einkaufen, beim Essen mit Freunden oder meinem Mann, in Urlaubsreisen, bei Familienbesuchen, beim Kochen, Aufräumen, Wäsche waschen, Pflanzen umtopfen. Bei allen Aktivitäten und Todos habe ich diese Liste im Hinterkopf. Sie ist eine Art von ständig existierender Sehnsucht auf potenzielle Nähprojekte oder manchmal auch eine kleine Flucht in eine Parallelwelt, in der ich an der Nähmaschine sitze und völlig zufrieden im Nähflow bin, während ich eigentlich etwas anderes mache.

Manchmal ist genau diese Sehnsucht sogar größer, als der Antrieb, mich tatsächlich an die Nähmaschine zu setzen, wenn ich eigentlich Zeit dazu hätte. Das sind die Momente, an denen meine unendliche To-Sew-Liste mir auch mal ein schlechtes Gewissen bereitet. Momente, an denen ich mir zugestehen muss, dass ich nur die Vorstellung, ich könnte mir etwas nähen, gerade doch schöner finde, als das Nähen selbst. Und dass das völlig okay ist.

Dafür kann es aber auch mal passieren, dass ich mit einem neuen Punkt auf der Liste nach Hause komme und sie sofort umgesetzt wird. So sehr liebe ich auch frühe ruhige Morgende am Wochenende, an denen ich mit dem ersten Kaffee an der Nähmaschine sitze, weil mich die Lust packt, etwas von meiner Liste zu verwirklichen. Und dann gibt es die Tage, an denen auch schonmal andere Todos gestrichen werden, weil ich mich dafür entscheide, ein lange geplantes Projekt endlich zu nähen. Letztes Jahr habe ich mir eine Woche vor unserem Weihnachtsurlaub noch ein paar Tage Urlaub gegönnt und am Ende die Nähmaschine sogar mitgenommen in die Ferienunterkunft, weil ich mir bewusst Zeiträume einplanen wollte für mein Hobby, das meinen Kopf so schön aufräumt (dafür umso mehr Chaos in meinem Zimmer verursacht) und in das ich stundenlang versinken kann. Und manchmal, da reichen auch nur 30 Minuten zwischen zwei Terminen, oder vor dem Schlafengehen, an denen ich einfach loslege und nur kleine Nähetappen meistere.

Und darin liegt der Zauber meiner endlosen To-Sew-Liste. Sie ist eine Sammlung voller wunderbarer Nähideen, die ich jederzeit umsetzen kann, wenn mir danach ist. Ob nur im Kopf oder real, sie ist ein magischer Teil meines Nähprozesses, aus der ich kreative Kraft und Motivation schöpfen kann, auch wenn’s manchmal Monate oder Jahre dauert, bis ich manche Ideen tatsächlich in der Hand halte. Ich hoffe, diese Liste wird immer endlos bleiben.

Habt einen wunderbaren Wochenstart,

liebste Grüße,

Eure Selmin

Selmin Ermis-Krohs

Als Slow Fashion & Living Enthusiastin bin ich der kreative Kopf hinter dem Blog Tweed & Greet und Co-Founderin des Kölner DIY Fashion Labels Schnittduett. Ich bin Buchautorin von zwei Nähbüchern, Fotografin, Designerin, Content Creator, Multilinguistin, stolze Hundemama und ich glaube sehr stark daran, dass wundervolle Dinge geschehen können, wenn man sich erlaubt, ein langsameres und kreativeres Leben zu führen. Mit Ideen rund um mein Steckenpferd DIY Fashion zeige ich hier neben nachhaltiger und selbstgenähter Mode, Anregungen, die euch anfeuern sollen, mehr Kreativität in den Alltag zu bringen und auch mal etwas Langsamkeit zu zelebrieren.

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11 Kommentare

  1. Antworten

    Cornelia Barkowsky

    16. April 2019

    Sooo schön geschrieben! Genauso geht es mir. Lieben Gruß, Cornelia

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      17. April 2019

      Vielen Dank liebe Cornelia!!

  2. Antworten

    Christina

    16. April 2019

    Ich musste schmunzeln, die ganze Zeit. Das spricht mir total aus der Seele und freut mich irgendwie, daß das anscheinend doch normal ist. Es gibt noch mehr von uns verrückten *lach
    Kann deine Liste nur noch durch einen Punkt ergänzen: das Einschlafen. Wenn ich nicht einschlafen kann, gehe ich in Gedanken ein besonders aufwendiges Projekt durch – Rechts auf Links, erst hier den Abnäher, dort die Lasche rein…

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      17. April 2019

      Hahaha, echt? Wie cool ist das!! Schäfchen zählen für Nähnerds, hihihihi:-)

  3. Antworten

    Dusa

    16. April 2019

    Es freut mich das zu hören . Bin besessen von Nähzeitungen und Schnittmuster. Wurde gern Bibliothek aus Nähbücher und Zeitungen besitzen.

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      17. April 2019

      Hihi, jaaa so eine riesige Bibliothek hätte ich auch gern!

  4. Antworten

    Dorothea

    16. April 2019

    Liebe Selmin, danke für den schönen Beitrag, der mir ehrlich aus der Seele spricht. Das Planen ist mindestens so befriedigend wie die Umsetzung und ein wichtiger Teil des Hobbys!
    Liebe Grüße, Dorothea

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      17. April 2019

      Vielen Dank liebe Dorothea! Ja, genau so sehe ich das auch!!

  5. Antworten

    Katja

    17. April 2019

    Liebe Selmin,
    da hast du mir völlig aus dem Herzen gesprochen. Vor allem den Aspekt,dass ich manchmal längere Zeit nichts nähe und mir nur Sachen vorstelle,die ich nähen möchte,den kenne ich.
    Liebe Grüße von Katja

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      17. April 2019

      Hach, schön, dass wir mit unseren Gedanken nicht alleine sind:-) Liebste Grüße, Selmin

  6. Antworten

    Petra

    18. April 2019

    Liebe Selmin,
    hach – ich musste beim Lesen so schmunzeln. Manchmal meint man ja, man würde auf einem anderen Stern mit seinen Gedanken leben. Die Momente, wenn man sich sofort an die Nähmaschine wünscht und loslegen möchte mit seinen Projekten, kenne ich auch und genauso auch die Zeit, dass man eigentlich gerne möchte aber irgendwie doch nicht in das Nähzimmer geht. Hin und wieder steh ich mir auch selbst im Wege, weil ich mich einfach nicht entscheiden kann und ganz oft ist man aber im Fluss und kann es kaum erwarten und verbringt jede freie Minute mit dem Hobby. Dabei ist oft der Weg das Ziel und es macht einfach Spaß auch länger an einem Teil zu arbeiten.
    Vielen Dank für deinen Beitrag. Ich habe mich oft wiedererkannt und das tat gerade sehr gut. 🙂
    Ganz liebe Grüße
    Petra

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