Es war ein ganz entspannter Sonntagabend, wie ich ihn gerne mag. Ich hatte schon den ganzen Nachmittag erfolgreich an meinem Jeansrock Ness von Tilly & the Buttons herumgewerkelt. Der Mann hatte immer mal wieder den Kopf durch die Tür gesteckt oder sich zum Quatschen auf meine Couch im Nähzimmer begeben. Nebenbei lief die Wiederholung der ersten Outlander Staffel auf Netflix und mein Jeansrock war auf dem besten Weg der Fertigstellung.
Den kompliziertesten Part des Rocks, den Reißverschluss, hatte ich schon längst ganz gemütlich angenäht und die Nähte rundherum abgesteppt. Alles fix und fertig. Mein Metallreißverschluss war etwas zu lang und ich war stolz darauf, dass ich ihn problemlos selbst gekürzt hatte – so richtig mit Zangenwerkzeug, uuuh. Hach, ich liebte diesen Endspurt. Bald würde ich meinen Rock endlich tragen. Im Kopf kombinierte ich ihn schon zu Outfits mit Teilen aus meinem Kleiderschrank und verfasste gedanklich bereits ein Tutorial dazu, wie man einen Reißverschluss richtig kürzt, ohne Gefahr zu laufen, dass man plötzlich den Schieber in der Hand hat.
Sekunden später hatte ich dann plötzlich den Schieber in der Hand – völlig losgelöst vom Reißverschluss zwischen meinen Fingern. Ich starrte ihn irritiert an und spürte langsam die Hitze im Kopf, während dieser realisierte, dass dieses Metallding so schnell nicht mehr zurückzuschieben war.
Es begann der unentspannte Teil des Abends: Recherchen zu Tutorials, wie man den Schieber an einem falsch gekürzten Reißverschluss wieder zurückschiebt. Und ein leicht verzweifelter Aufruf in meinen Instagram Stories. Mit vielen nützlichen Hilfestellungen, die mich am Ende aber leider nicht weiterbrachten. All die in der Theorie jemals niedergeschriebenen Tipps halfen mir im echten Leben nicht.
Ich zückte meine Geheimwaffe, mein Mastermind aus Istanbul: Meine Mama, Schneiderin und mein unermüdlicher Telefonjoker in allen Belangen rund ums Nähen. Wenn DIE das nicht konnte, konnte das keiner, dann musste der Nahtauftrenner ran. Also, vorsichtige Whatsapp Nachricht mit Beweisfoto. Minuten später klopfte sie schon per Videoanruf gegen meinen Smartphone-Bildschirm. In ihrer Hand: Reißverschluss und Zange – Alles parat für ein Livetutorial dazu, wie man einen falsch gekürzten Reißverschluss wieder zurückschieben kann.
Wir schafften es dennoch nicht. Mein Reißverschluss verhakte sich ständig und das Stoffband war inzwischen auch viel zu zerfleddert, als dass der Schieber noch sinnvoll zurückzuschieben war.
Mich erreichte zwischenzeitlich eine weitere Nachricht, die letzte Hoffnungen weckte: Die Zähnchen mit Bienenwachs für Garn einreiben, um das Verhaken zu verhindern. Zufällig hatte ich welches griffbereit und rieb großzügig die Wachscheibe auf den gesamten Reißverschluss, bis sie auf die Hälfte geschrumpft war – es half alles nichts.
Am nächsten Morgen begann die demütigste Reißverschluss-Transplantation der Geschichte. Ohne abschweifende Gedanken daran, Tutorials zu erstellen oder Kombinationsmöglichkeiten zu erfinden, waren wir ganz im Hier und Jetzt: Der Rock, der Nahtauftrenner und ich – und James Alexander Malcolm Mackenzie Fraser als moralische Unterstützung aus dem Netflix-Off.
Die Operation glückte. Und auch der Rest der Nähaktion lief ganz ohne Tragödien ab. Bei der Größe des Rocks hab‘ ich mich nach der Maßtabelle orientiert und für die Größe 5 entschieden. An den Seiten hab ich nach der ersten Anprobe dann je einen cm weggenommen und etwas schmaler genäht. Zack, passte! No drama, Baby.
Auch die Stoffwahl im Vorfeld war herrlich unaufgeregt: Ich hatte mich für zwei Jeansstoffreste aus meinem Vorrat entschieden, die ich miteinander kombinierte (Oh hello, Februarmotto für #12ausdemstoffregal!). Den Hauptteil bilden die Stoffreste aus dem Jeansstoff für meine Lander Pants, für die Passe und die Gesäßtaschen verwendete ich Reste, die noch von meinem Jeans-Blouson anno 2015 übrig waren. Bis zum letzten Fitzelchen hatte ich somit alle Jeansreste verbraucht. Sehr gutes Gefühl.
So, mit einem Tutorial für das richtige Kürzen eines Reißverschlusses kann ich Euch dann zwar nicht mehr dienen, aber ich freue mich, Euch heute endlich meinen neuen fertigen Rock im Kleiderschrank vorzustellen. Er integriert sich vor allem ganz ohne Drama in meine Garderobe und lässt sich super kombinieren.
Zum Beispiel mit einem frühen Schnittduett Teststück für den Modular Rolli. Dieses Teil hier hat noch ein paar Kinderkrankheiten, wie einen zu weiten Kragen, aber es ist trotzdem ein oft getragenes Basicstück geworden. Ebenfalls ein seit 2017 gern getragenes Teststück vom Schnittduett ist mein Cardigan Wrapped in Kurz- und Rohfassung ganz ohne Kragen oder Belege. Ich wollte die Passform an den Schultern ein letztes Mal testen und hab einen schnellen Cardigan gezaubert. Die Kanten wurden einfach mit der Overlock versäubert und an eine Ecke hab ich einen Druckknopf angenäht, mit dem ich den Cardigan einfach schließen kann wenn’s zu kalt ist. Ich liebe das Karomuster und freue mich jetzt jedes Mal über den Mustermix mit diesem Streifenrolli.
Hello.
Habt einen ganz famosen drama-freien Sonntag, Ihr Hasen!
Liebste Grüße,
Eure Selmin
P.S. Das ganze Reißverschluss-Drama hab‘ ich übrigens auch als Bewegtbild in den Instagramstories festgehalten, für den Fall, dass ihr Beweise sehen wollt.
Fotos: Antonia Schmitz von craftifair
Das Schnittmuster für den Rock Ness von Tilly & the Buttons wurde mir kostenlos zur Verfügung gestellt, was in keinster Weise meine Meinung zu dem Produkt beeinflusst hat. Wer meinem Blog schon länger folgt, weiß, dass ich schon lange ein großer Fan ihrer Schnittmuster bin.
Jutta
Liebe Selmin, ich bin großer Fan deines Blogs und habe alle Wrapped Schnittmuster zum Teil schon mehrmals genäht 🙂 Meiner Studententochter habe ich dein Näheinsteigerbuch vermacht… aber bisher noch nie hier kommentiert. Aber heute musste ich bei deinem Blogbeitrag Tränen lachen… es liest sich so toll und aus dem Leben! Danke dafür 🙂 Und die Tilly and the buttons Schnittmuster lieb ich auch sehr. eigentlich dachte ich, ich komme um Nelly herum, aber wenn ich das jetzt so sehe… Liebe Grüße und dir auch einen entspannten Sonntag, Jutta
Selmin von Tweed & Greet
Ach Jutta, vielen herzlichen Dank für dieses tolle Feedback!? Du glaubst ja nicht, wie es mich freut, dass Du Dir die Zeit genommen hast mal, „Hallo“ zu sagen! Liebste Grüße und einen schönen Sonntag!
Jutta
Muss natürlich Ness heißen… tststs… mit Tilly vermischt 😉
Selmin von Tweed & Greet
☺️☺️
Simone
Moin liebe Selmin, was eine Spannung ?? solche Nähkrimis schreibt das Leben. Aber Ende gut alles gut und dein Outfit ist echt der Hammer. Schön das auch mal jemand darüber blogt, dass eben nicht immer alles glatt läuft. Ganz liebe Grüße Simone
Andrea
Oh Jammer! Ich wäre geplatzt vor Zorn.
Das Schnittmuster habe ich auch noch liegen – jetzt traue ich mich kaum noch ran. So ganz ohne Nähjoker… ?