Januar: Die Bücher die ich las. Der Januar ist ein guter Monat für mich, um zu lesen, weil ich ihn immer sehr langsam beginne und mir Zeit zum Zurückziehen gönne. Je langsamer ich meine Tage gestalte, desto schneller kann ich lesen, war schon immer so. Ich mag’s, meinen Januar so zu gestalten, es hilft mir dabei, die grauen Tage zu überbrücken. Eventuell haben dieses Mal auch die vielen bunten Cover der auserwählten Bücher gut gegen den Winterblues geholfen. 🧡💙
Eigentlich sollte dies ein schneller Instagram Post werden, aber dann schrieb ich und schrieb ich und war genervt von der Zeichenbegrenzung bei Insta. Also hab ich schnell alles hier rüberkopiert und dann in Ruhe weitergetippt. Nachher werde ich die diesen Blogpost auf Instagram wieder in Kurzform verfassen, um diesen Blogpost zu bewerben, damit die Menschen da draußen auch lesen, was ich getippt habe. Verrückt. Aber so läuft es nunmal in dieser verrückten Onlinewelt, stimmt’s?
Ein bisschen will ich mich im Vorfeld fast dafür entschuldigen, dass die Bücher, die ich heute vorstelle, momentan nur vorrangig auf Englisch existieren und ich damit diejenigen ausschließe, die nicht so gut englisch sprechen. Und liebe Bine, ja, ich sehe dich schon die Augen verdrehen, wie immer, wenn ich dir ein Buch empfehle und sage, dass ich es auf englisch gelesen hab, tihihi. Trotzdem empfehle ich sie, weil ich einfach GERN Bücher von englischsprachigen Autor*innen lese und es liebe, wenn die Übersetzungsbrille nicht aufgesetzt ist. Und wie bei allem, trägt auch bei Büchern einfach die Masse an Berichten zu ihrem Erfolg bei und dazu, dass sie irgendwann übersetzt werden. Wie das Buch “Überwintern” von Katherine May, das ich letztes Jahr bereits so gern gelesen habe und das mittlerweile die Menschen in vielen anderen Sprachen bereichert, seit kurzem auch auf Deutsch.
Hier also mein kleiner Rückblick:
Wintering/Überwintern von Katherine May
Wintering/Überwintern von Katherine May*: Manche Bücher treten einfach zur richtigen Zeit in unser Leben. Es passiert auch nicht oft, dass ich ein Buch zweimal lese, aber man munkelt, dass ich mich diesem Buch sogar dreimal hingegeben habe. Das erste Mal habe ich es Anfang 2021 im Original gelesen und es hat mich unheimlich gestärkt und war schon fast heilsam während einer nicht so leichten Zeit. Dabei ist es gar kein Selbsthilfebuch mit Handlungshilfen, sondern autobiografisch. Es ist das Wiedererkennen in den Sätzen in Ich-Form, die mir das Gefühl gaben, nicht allein mit meinen Gedanken, Beobachtungen und Erlebnissen zu sein. Im Herbst letzen Jahres habe ich das Hörbuch gehört. Das Buch ist Ende Oktober auch auf deutsch erschienen und ich habe mich so sehr über den Erfolg gefreut. Gerade habe ich es als Geschenk auf deutsch gekauft (und es so heimlich ein drittes Mal im Januar gelesen).
Überwintern ist ein langsames, persönliches Buch von Katherine May über die heilende Kraft des Innehaltens in Krisenzeiten mit wunderbaren Parallelen aus der Natur. Katherine May nennt diese Zeiten „Winter“. Wie auch im Winter alles ruht, um Kraft für den Frühling zu sammeln, gibt auch sie sich in einer schwierigen Lebensphase dem „Überwintern“ hin. Wir begleiten sie als Leser*in dabei, wie sie lernt, sich Zeit zu nehmen, um z.B. in Ruhe Gerichte zu kochen, wie sie im eisigen Wasser schwimmt, die Polarlichter besucht. Wie sie beobachtet und mit dem Fokus auf das Wesentliche zur Ruhe und inneren Einkehr kommt, bis sie sich wieder bereit fühlt, mit neuer Energie weiterzumachen.
Ich folge Katherine May auch unheimlich gern auf Instagram. Ein langsamer unaufgeregter Account, der wunderschöne Küsten- und Naturbilder aus Südengland zeigt und auf dem sie ihre Beobachtungen der Jahreszeiten mit uns teilt.
Lieblingsabsatz aus dem Buch: Der Baum wartet: Er ist bereit. Sein abgeworfenes Laub verwandelt sich in humushaltige Erde, seine Wurzeln ziehen die reichlich vorhandene Winternässe aus dem Boden und bilden im Sturm einen Anker. Seine Zapfen und Nüsse sind Mäusen und Eichhörnchen in der kargen Zeit eine wichtige Ernährungsgrundlage und seine Rinde dient Insekten als Unterschlupf für ihren Winterschlaf und hungrigen Hirschen als Nahrung. Er ist alles andere als tot. Im Gegenteil, der Baum ist das Leben und die Seele des Waldes. Aber er macht kein Gewese darum. Er wird im Frühling nicht herausplatzen mit neuem Leben. Er wird sich einfach nur ein neues Kleid überstreifen und der Welt aufs Neue begegnen.
(Dis)Connected, Emma Gannon (Englisch)
(Dis)Connected, Emma Gannon* (Englisch): Ich bin ein großer Fan von Emma Gannons Büchern und Texten zum Thema Arbeit und Kreativität und freue mich jeden Monat über ihren Newsletter Hyphen. Mit (Dis)Connected thematisiert sie die Zeit, die wir in den sozialen Medien verbringen und welche Verschiebung diese Online Zeit u.a. bewirkt, bei uns selbst und unseren offline Aktivitäten und zwischenmenschlichen Verbindungen. Sie beleuchtet Themen wie Algorithmen, die unsere Meinung beeinflussen und darüber entscheiden, was wir sehen, was wir mögen und was wir kaufen. Algorithmen, die bestimmen, wer uns und unsere Kreativität zu sehen bekommt und was das mit uns und unserer kreativen Arbeit macht. Sie diskutiert Lösungsansätze und gibt kleine Aufgaben, die dabei helfen sollen, sich aus diesen Geflechten zu lösen und wieder mehr Verbundenheit mit sich und den Offline-Vergnügungen zu finden. Ein schnell gelesenes Buch, das gute Ansätze enthält. Emma Gannon ist mit ihren Texten durch die Online Welt und Social Media erfolgreich und bekannt geworden und stellt gerade diese Ambivalenz spannend dar. Sie macht kein Geheimnis daraus, – wie ich – ein Fan von Julia Camerons Werken wie “The Artists Way” zu sein und einige ihrer Aufgaben haben mich etwas an das Buch erinnert. Das hat mich an manchen Stellen zum Schmunzeln gebracht, weil ich das Buch kenne. Aber für mich ist das Buch von Julia Cameron auch einfach DIE Basis für Kreativität und Verbundenheit mit sich selbst, noch lange vor der Zeit von Social Media und so ist es nicht verwunderlich, das viele Methoden in heutigen Büchern immer wieder aufgenommen werden.
Lieblingsabsatz (Übersetzung daneben):
“I tell Tom that sometimes before I formulate a proper opinion myself, I check Twitter to see what the general consensus is first. I think I am thinking for myself but then no doubt get a bit swayed by the popular opinion (of my social circle). How do we challenge ourselves further to think critically outside of our bubble? He replied: “Social media can be a brilliant way of testing the waters: of seeing what’s out there in terms of idas and opions and feelings. But it can also lead to the kind of self-censorship you describe, where the crowd in the cloud signals what is’s legitimate to feel and think about a particular issue – and what kind of tone and ideas its OK for someone like you to hold. One way of pushing back against this is to diversify the backgrounds and ideologies of the people you follow on social media; to seek out eloquent advocates of positions you disagree with. But it’s even more important, I would say, simply to spend plenty of time engaging with slower sources of information: to read, watch and listen serendipitously, and then to give yourself enough time and space for your thoughts to take on their own forms.”
„Ich erzähle Tom, dass ich manchmal, bevor ich mir selbst eine richtige Meinung bilde, zuerst auf Twitter nachsehe, was der allgemeine Konsens ist. Ich denke, dass ich für mich selbst denke, aber dann lasse ich mich doch ein wenig von der allgemeinen Meinung (meiner sozialen Blase) beeinflussen. Wie können wir uns selbst herausfordern, außerhalb unserer Blase kritisch zu denken? Er wiederholte: „Soziale Medien können ein hervorragendes Mittel sein, um das Wasser zu testen: um zu sehen, was es da draußen an Ideen, Meinungen und Gefühlen gibt. Aber es kann auch zu der von dir beschriebenen Selbstzensur führen, bei der die Menge in der Wolke signalisiert, welche Gefühle und Gedanken zu einem bestimmten Thema legitim sind – und welche Art von Ton und Ideen für jemanden wie dich in Ordnung sind. Eine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, besteht darin, die Hintergründe und Ideologien der Menschen, denen man in den sozialen Medien folgt, zu diversifizieren und nach wortgewandten Verfechtern von Meinungen zu suchen, denen man nicht zustimmt. Aber noch wichtiger ist es, würde ich sagen, einfach viel Zeit damit zu verbringen, sich mit langsameren Informationsquellen zu beschäftigen: zu lesen, zu sehen und zufällig zuzuhören, und sich dann genügend Zeit und Raum zu geben, damit die eigenen Gedanken ihre eigenen Formen annehmen können.“
I didn’t do the thing today, Madeleine Dore (englisch)
I didn’t do the thing today, Madeleine Dore* (englisch): Ein Buch über das Loslassen vom schlechten Gewissen im Zusammenhang mit Produktivitätsdruck. Ein Thema, das mich die letzten Jahre auch sehr beschäftigt. Auf das Buch bin ich durch – Achtung – den Instagram-Althorithmus gestoßen. Interessanterweise unmittelbar nachdem ich meinen Blogpost zu den Januar-Vorsätzen und Produktivitätsdruck geschrieben habe. Kurze Zeit später habe ich es als Hörbuch bestellt. Die Autorin beschäftigt sich damit, wie man sich von Produktivitätsdruck freimachen und so andere Werte im alltäglichen Leben wiederentdecken kann. Es geht um die täglichen Todos, die wir uns setzen, egal, ob es um die Arbeit geht, um Kreativität, um die Wäsche, um Sport, um Familie und Bekannte, um Self-Care und um das schlechte Gewissen das uns einholt, sobald wir die Dinge, die wir uns vornehmen, nicht schaffen. Das Buch soll uns inspirieren, den Fuß vom Produktivitätspedal zu nehmen, uns weniger mit anderen und ihrer Produktivität zu vergleichen, überladene Routinen zu hinterfragen und die unrealistischen Ziele, die wir uns manchmal für einen Tag setzen. Sie möchte dazu auffordern das Chaos und Unvorhersagbare anzunehmen und diese Dinge einfach auch zu feiern. Das Buch hat viele gute Ansätze. Ich kannte vieles schon und daher hat es mir etwas zu sehr an der Oberfläche gekratzt. Ich habe mehr tiefere persönliche Geschichten darin vermisst. Trotzdem hat es mir während der Autofahrten ins Büro einen guten Schwung für den Tag gegeben.
Ich neige dazu, mir manchmal für bestimmte Aufgaben, einen ganzen Tag einräumen zu wollen. Dieses Konstrukt fällt in sich zusammen, sobald etwas Unvorhergesehenes passiert: Ein Besuch beim Tierarzt zum Beispiel oder ein doofes Telefonat. Der Tag scheint dann oft arbeitsmäßig für mich gelaufen und das schlechte Gewissen kickt rein, völlig unproduktiv gewesen zu sein. Entweder ich kann den Tag dann so akzeptieren und mich daran erfreuen, mit dem Tierarztbesuch meinem Hund was Gutes getan zu haben. Oder ich schaffe es, danach doch ein paar Minuten zu arbeiten und wieder in den Flow zu kommen – und zu merken, dass ich auch innerhalb kurzer Zeitabstände vieles geschafft bekomme, ohne in Stress zu geraten. Das Buch hat gut als Erinnerung funktioniert, mir selbst auferlegte Todos und ihre realistische Erreichbarkeit zu hinterfragen und an manchen Tagen dieses Januars auch einfach mit dem Tagesflow zu gehen und den Tag neu zu definieren. Es hat mir interessanterweise auch die Energie gegeben, unerwartet produktiver zu sein.
Lieblingsabsatz (Übersetzung daneben):
While we can look to others for inspiration, we are the only ones who live our days. How we navigate our days is how we learn to navigate our lives. It takes us a long time to figure out how to realize our wants, to find our own recipe for a day and to be okay when that looks different from somebody else’s instructions, we can feel we are cutting corners, stumbling without directions or going off-track. But that’s where we can find our own way. That’s how we get to know all sides of the fallible, messy, imperfect human we are – instead of waiting to be told what to do, we make it up as we go along and keep reshaping the parts of our day.
“Wir können uns zwar von anderen inspirieren lassen, aber wir sind die Einzigen, die unsere Tage leben. Wie wir unsere Tage gestalten, ist die Art und Weise, wie wir lernen, unser Leben zu gestalten. Es dauert lange, bis wir herausfinden, wie wir unsere Wünsche verwirklichen können, wie wir unser eigenes Erfolgsrezept für den Tag finden und wie wir damit umgehen können, wenn dieses anders aussieht als die von anderen, wenn wir Abschläge hinnehmen müssen, ins Straucheln geraten oder vom Weg abkommen. Aber genau so können wir unseren eigenen Weg finden. So lernen wir alle Seiten unseres fehlbaren, chaotischen, unvollkommenen menschlichen Wesens kennen, das wir sind. Anstatt darauf zu warten, dass man uns sagt, was wir tun sollen, erfinden wir es im Laufe des Tages und gestalten die Teile unseres Tages immer wieder neu.”
Der Januar stand ziemlich im Fokus von Langsamkeit und dem (Wieder-)finden meines Rhythmus – das hat meine Buchauswahl mir wohl noch einmal bestärkt. Aber ich spüre auch, wie meine Tage wieder etwas schneller werden und dass sich das auch gut so anfühlt. Und können wir bitte feiern, dass es ab 17:00h nicht mehr stockdunkel ist, auch wenn die Sonne momentan noch auf sich warten lässt?!
Die Bücher für den Februar stehen in der Pipeline und, äh, ich sehe rot. Vielleicht, weil ich jetzt schon weiß, dass drei Bücher unmöglich für mich im Februar zu lesen sind, auch wenn ich es im Januar geschafft haben mag. Daher nenne ich sie einfach die Bücher der nächsten Monate und nehme so gleich mal den Druck aus der Düse:
- Annette, ein Heldinnenepos von Anne Weber*, eine Empfehlung meiner Freundin.
- Professional Troublemaker – The Fear-Fighter Manual von Luvvie Ajayi Jones* – eine freundliche Empfehlung meines Instagram Algorithmus (das Buch erscheint im September auf deutsch)
- Schau mich an* von Elif Shafak, ein Spontankauf im Buchladen, denn an Elif Shafak Büchern komme ich nicht vorbei, wenn sie mir in die Hände fallen. Auch wenn ich beim Lesen manchmal auch ganz schön schnauben muss und spontan nicht immer mit den Bildern übereinstimme, die sie von den Menschen in ihren Geschichten zeichnet. Vielleicht ist aber auch gerade die Reaktion, die sie in mir auslöst, das, was mir an ihren Büchern gefällt.
Was steht bei euch auf der Leseliste? Vielleicht habt ihr eines der Bücher auch schon gelesen? Ich freu mich von euch dazu zu hören!
Liebste Grüße,
Selmin
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Fredi
Okay, das Zitat von Emma Gannon hat mich ziemlich erwischt, da musste ich einige Male mit dem Kopf nicken und auch den Kopf schütteln. Das scheint Themen zu behandeln, die mich auch sehr beschäftigen. Deine Januar-Auswahl ist generell sehr spannend, Überwintern habe ich auch schon in der Hand gehalten und es in dem Moment für mich aber nicht ganz gefühlt. Vielleicht werde ich es aber doch noch lesen.
Gefiel mir gut, dein Rückblick, gerne mehr davon ☺️
Liebe Grüße, Fredi
Selmin Ermis-Krohs
Danke liebe Fredi, haha, das mit dem Buch fühlen kenn ich. Ging mir bei Wintering übrigens so, dass ich es beim Klappentext einfach „gefühlt“ hab, dass ich es lesen will:-) Ganz liebe Grüße, Selmin
Gisela
Mir gefällt der Rückblick auch gut, deine Januar-Buchliste ist wirklich interessant! Da wandern zwei Titel auf meine Merkliste. Ich selbst habe im Januar so viel genäht, dass ich kaum zum Lesen gekommen bin. Die Hobbys „kannibalisieren“ sich leider immer… In der nächsten Zeit würde ich aber gerne folgende Bücher lesen: „Sapiens“ von Yuval Noah Harari als Graphic History (den zweiten Band, nachdem ich den ersten echt toll gemacht fand), „Das Pragmatismus-Prinzip“ von Dirk von Gehlen und – als Fan habe ich da schon Jahre gewartet – „Müll“, ein weiterer Brenner-Krimi von Wolf Haas, der erscheint Ende des Monats und ist bereits vorbestellt.
Selmin Ermis-Krohs
Liebe Gisela, die Titel klingen sehr spannend! Ich hole mir übrigens manche Titel auch einfach als Hörbuch, dann kann ich manchmal beim Nähen „lesen“:-) Ganz liebe Grüße, Selmin