Etwas Neues anfangen – Aber wie?

Von der Freude Anfänger zu sei

Spoiler: In dem man anfängt…… und vielleicht noch ein paar weitere Tipps verfolgt. Aber dazu später. In diesem Blogpost geht das darum, das Glück im Anfängersein zu finden.

Seit drei Jahren liegt dieses eine Buch zum Thema Modezeichnen lernen nun schon bei mir. Ich habe es mir mal zum Geburtstag gewünscht, um mir selbst beizubringen, Modefigurinen zu zeichnen. Als ich es bekam, blätterte ich es eifrig durch und legte es dann als Deko in mein Arbeitszimmer, wo es sich zugegebenermaßen ganz gut macht. Es hat aber auch Gebrauchsspuren, weil ich immer wieder gern hineinschaue. Und, weil ich es immer wieder im Koffer mitnehme, wenn wir in den Urlaub fahren. Jedes Mal nehme ich mir vor, dass ich im Urlaub anfangen will zu zeichnen, jedes Mal kommt es unbearbeitet wieder zurück.

Von der Freude Anfänger zu sein

Bisher hatte ich immer Angst vor meiner eigenen Courage. Angst anzufangen. Ich hatte bestimmt schon mehrere Jahre keinen Bleistift mehr zum Zeichnen in der Hand. Mit Zeichenstift und Papier fühle ich mich unsicher und irgendwie überfordert. Sobald ich einen Stift in die Hand nehme, um zu zeichnen, schießt mein Puls in die Höhe, besonders, wenn jemand dabei ist. Ich habe dann meist keine Ahnung, wo und wie ich starten soll. Fühle mich so unsicher wie ich mich vor ein paar Jahren noch an der Nähmaschine gefühlt hab. So wie man sich wahrscheinlichen vor allen Dingen fühlt, die man das erste Mal tut.

Von der Freude Anfänger zu sein

Und dann, vor ein paar Wochen, fing ich eines abends endlich an. Einfach so. Ich fing an! Ich zeichnete eine erste Linie. Meine Hand zitterte, die Linie verwackelte. Aha, das war’s also? Davor hatte ich Angst gehabt? Dass mir Linien verwackelten? Sensationell. Warum sollten sie das auch nicht tun, schließlich hatte ich seit Jahrzehnten keinen Stift mehr zum Zeichnen in die Hand genommen. Ich machte die Übungen im Buch weiter. Hatte die Erwartung, dass die Linien mit jeder Übung besser werden würden. Aber das Gegenteil war der Fall. Je mehr ich zeichnete, desto unförmiger wurde meine Figur. Vielleicht war das schon eine Art eigener Stil? Vielleicht war es das, was meine Zeichnungen ausmachen würde? Was meinte ich damit? Warum machte ich mir jetzt schon Gedanken darüber, was mein Stil war? Ich wollte doch einfach nur zeichnen. Einatmen, ausatmen, zeichnen.

Ich geriet irgendwann in einen herrlichen Flow. Es fühlte sich an wie mein Nähflow. Ich war voll im Hier und Jetzt, vor mir nur meine Zeichnungen und in meiner Hand, der Bleistift, dessen Linien unter meiner Führung immer noch zitterten. Noch acht Mal zeichnen, sagte der Übungstext. Klar, mache ich. Auch nach dem achten Mal Zeichnen wurden die Linien nicht weniger verwackelt. Aber das war völlig egal. Meine Hand wurde sicherer. Und Stolz keimte auf, weil ich angefangen hatte.

Von der Freude Anfänger zu sein

Es hatte etwas völlig Befreiendes, etwas Neues zu lernen. Ich durfte alle Fehler der Welt machen, meine Linien durften zittern, meine Figuren durften unproportioniert aussehen und verwackelt und naiv, das war kein Stil, das war das Ungeübte in mir. Und es fühlte sich erlösend an, endlich angefangen zu haben.

Außerdem hatte ich Blut geleckt. Ich wollte noch sicherer werden. Also hab ich mich Anfang des Jahres bei einem Zeichenkurs angemeldet, für absolute Anfänger. Nix mit Mode oder Figurinen. Zeichnen lernen von Grund auf. In der ersten Stunde haben wir gelernt, wie man einen Bleistift richtig hält und mit Druckausüben unterschiedlich starke Schraffierungen auf das Blatt bringt. Und wie man Grundformen wie Quadrate und Kreise zeichnet. Es ist auf absolutem Erstklässlerniveau und genau das, was ich wollte. Heute Abend ist die nächste Stunde und ich freue mich richtig darauf.

Von der Freude Anfänger zu sein

Etwas Neues zu Lernen kann manchmal richtig Überwindung kosten, auch mehrere Jahre. Umso erleichternder finde ich es jedes Mal, wenn ich tatsächlich einfach angefangen habe. Unten hab ich ein paar Tipps vorbereitet, um mit Schwung etwas Neues zu starten – okay, mehr für mich und mein Prokrastionations-Ich, das hin und wieder ein paar kluge Ratschläge braucht. Aber vielleicht helfen sie auch Euch, wenn ihr damit liebäugelt, etwas Neues zu beginnen, aber immer noch unsicher seid.

Egal, ob es eine neue Sprache ist, ihr ein Instrument erlernen wollt oder 2020 das Jahr sein soll, an dem ihr Euch an eine Nähmaschine oder ein anderes Hobby setzt. Vielleicht gibt es auch einen Kurs oder ein Studium, das Euch beruflich weiterbringen könnte, das ihr aber vor Euch herschiebt? Einfach „starten“ ist das erste Zauberwort. Und die weiteren folgenden Tipps, um einfach loslegen zu können:

Von der Freude Anfänger zu sei

Meine 6 Tipps, um etwas Neues zu starten

Sich nicht mit anderen vergleichen

Nur weil es schon so viele Leute da draußen gibt, die etwas viel besser können, heißt das noch lange nicht, dass ihr direkt genauso gut sein müsst. Das kann überhaupt nicht funktionieren, wenn man eine Sache zum wirklich aller ersten Mal macht. Wer weiß, wie oft jemand die eine Sache übt, die auf den ersten Blick so perfekt scheint? Die Person macht es möglicherweise seit Jahren, während ihr gerade erst angefangen habt. Wenn schon vergleichen, dann kann man sich erste Werke der Personen anschauen und sich so motivieren lassen. Wetten, da gab es genauso viele Fehler? Ich werde oft darauf angesprochen, dass meine Kleidungsstücke so ordentlich genäht sind. Oder Bloggerkolleginnen, die noch am Anfang stehen und mir sagen, wie toll sie meine Fotos finden. Ich mache das halt auch schon ein paar Jahre und übe. Für die Fotos hab ich Fotokurse besucht, weil es mir wichtig war. Wer sich meine Fotos zu meinen Anfängen anschaut, wird sehen, dass ich mich erst im Laufe der Jahre entwickelt hab. (Ja, schau gerne in meinen ersten Blogpost, oder zweiten oder achten oder zehnten) Genauso wie meine Nähfertigkeiten, die auch nur durch Übung gut geworden sind.

Sich Hilfe suchen

So angenehm es ist, etwas im stillen Kämmerlein zu lernen, irgendwann kommt man vielleicht an einen Punkt, an dem es einfach nicht mehr weitergeht. Ihr bekommt die Technik einfach nicht hin oder ihr seid in einem Motivationsloch. Mir hilft es, dann wirklich einen Kurs zu besuchen, der meinem Level entspricht. Dann sitzen dort Leute, denen es genauso geht wie mir. Durch die Gruppendynamik fühle ich mich angeregt. Eventuelle „Hausaufgaben“ führen dazu, dass ich mich dahinter klemme und nicht aufschiebe.

Hätte ich damals nach meinen ersten Nähversuchen keinen richtigen Nähkurs besucht, wäre meine Nähbegeisterung vielleicht schnell verpufft, spätestens beim ersten komplizierten Projekt. Die Nählehrerin konnte mir von Angesicht zu Angesicht erklären, welche Technik ich bei bestimmten Herausforderungen anwenden konnte und brachte mich so über Hürden. Und mit meinem Fotoapparat wurde ich auch erst richtig vertraut, als ich einen Kurs besuchte. Die Scheu war verschwunden. Und auch dieses Mal beim Zeichenkurs ist die Scheu vor dem Zeichenstift gewichen.

Man ist nie zu alt für etwas Neues

Dass man nicht zu alt ist, um mit etwas anzufangen, hören wir so oft, dass es schon fast abgedroschen klingt. Julia Cameron, die Autorin von „Der Weg des Künstlers“ bringt in Ihrem Buch einen kurzen und für mich ganz bedeutenden Dialog dazu: „Weißt Du, wie alt ich sein werde, wenn ich gelernt habe, Klavier zu spielen?“ „Genauso alt, wie wenn Du es nicht tust„.

Nicht darauf, warten, bis sich jemand findet, mit dem man anfängt

Es gibt niemanden, der sich mit Euch für den Nähkurs (für den Yogakurs, Malkurs, Sprachkurs, ihr versteht...) interessiert? Dann geht ihr eben alleine! Umso besser, niemand, mit dem ihr einen Termin abstimmen müsst. Ihr könnt einfach den erstbesten Termin nehmen, der euch passt und starten. Und ja, auch als Erwachsener ist es manchmal ein bisschen aufregend, neu irgendwo aufzukreuzen, ohne dass man jemanden kennt. Aber auf diese Weise ist man oft auch offener für andere und lernt Leute mit den gleichen (neuen) Interessen kennen.

„Ich habe kein Talent“ gibt es nicht

Es gibt nur ein „ich bin ungeübt“ oder „untrainiert“, das kann ich (und ihr bestimmt auch) bisher durch alles, was ich neu gelernt habe, bestätigen. Ob es das erste Mal Fahrradfahren ist, der erste Englischunterricht, der erste Tag im Job, die erste Yoga- oder Tanzstunde. Wiederholungen und Routinen machen den Meister. Ein Anfänger zu sein ist die perfekte Ausgangsbasis, um sich zu verbessern. Die Luft nach oben ist enorm und das ist gut so.

Sein Anfängerstadium wertschätzen

Beinahe wäre ich in diese Falle getappt. Während ich zeichnete, schoss ich ein paar Fotos und wollte sie schon fast ein paar lustige, aber dennoch abfällige Bemerkungen zu den Proportionen meiner ersten Zeichnungen an meine Schwestern schicken. Hab es aber aber dann doch gelassen. Stattdessen hab ich mir selbst auf die Schulter geklopft, dafür, dass ich mich hingesetzt und geübt habe. Meine Schwestern hätten die Zeichnungen übrigens schön gefunden und mir das auch so gesagt, nur ich hätte Witze über mich gemacht. Es war wichtig, dass ich mich auch einfach selbst gelobt habe. Neu in etwas zu sein, ist irgendwie auch wie ein Kind zu sein in diesem einen Bereich. Ein Kind, das gelobt werden möchte, um motiviert zu bleiben und sich zu entfalten. Vor allem von uns selbst.

Das Jahr hat gerade angefangen und ich freue mich auf so viele weitere Dinge, die ich dieses Jahr neu starten möchte. Mein Leitwort für dieses neue Jahr ist „Entfalten“ und dazu gehören so einige neue Ereignisse, die auf meiner Liste stehen. Und egal, was es bei Euch sein mag, das ihr dieses Jahr neu erlernen möchtet (erzählt ihr’s mir in den Kommentaren?), falls ihr immer noch grübelt, wann die beste Zeit ist, loszulegen. Sie ist genau jetzt!

Für alle, die übrigens schon lange mit dem Nähen starten wollen, auch dazu habe ich mal einen Blogpost verfasst, mit meinen Tipps, stressfrei mit dem Nähen loszulegen.

Von der Freude Anfänger zu sein

Ich wünsche Euch einen tollen Wochenstart!

Liebste Grüße,

Selmin

Selmin Ermis-Krohs

Als Slow Fashion & Living Enthusiastin bin ich der kreative Kopf hinter dem Blog Tweed & Greet und Co-Founderin des Kölner DIY Fashion Labels Schnittduett. Ich bin Buchautorin von zwei Nähbüchern, Fotografin, Designerin, Content Creator, Multilinguistin, stolze Hundemama und ich glaube sehr stark daran, dass wundervolle Dinge geschehen können, wenn man sich erlaubt, ein langsameres und kreativeres Leben zu führen. Mit Ideen rund um mein Steckenpferd DIY Fashion zeige ich hier neben nachhaltiger und selbstgenähter Mode, Anregungen, die euch anfeuern sollen, mehr Kreativität in den Alltag zu bringen und auch mal etwas Langsamkeit zu zelebrieren.

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5 Kommentare

  1. Antworten

    Nicole

    20. Januar 2020

    Einfach klasse!
    Danke für deine Tipps! In meinem Kopf schwirren schon seit 3-4 Monaten die Gedanken, kreative Kurse zu geben..aber ich finde keinen Einstieg, da ich ja in den Augen meiner Follower „nur“ male.. Gruß von Nicole @golden_freckles

    • Antworten

      Selmin von Tweed & Greet

      20. Januar 2020

      Liebe Nicole, danke für die netten Worte! Na, Deine Follower wissen aber auch, dass Du extrem kreativ bist! Einen besseren Einstieg gibt es nicht:-) Ganz liebe Grüße und „Go for it“ ! Selmin

  2. Antworten

    Stefanie

    23. Januar 2020

    Liebe Selmin,
    das sind wirklich gute Tipps. Ich persönlich hatte noch nie Probleme, etwas Neues anzufangen. Bei mir beginnt das dann immer mit einem Buchkauf. Auf diese Weise habe ich mir schon eine Menge Fertigkeiten angeeignet. Das Wichtigste ist glaube ich, keine Angst vor Misserfolgen zu haben. Die bleiben nie aus. Man muss dann nur weiter machen und die Misserfolge als das sehen, was sie in Wirklichkeit sind: Nicht das Ergebnis, sondern eine Stufe auf dem Weg dahin.
    In diesem Jahr werde ich allerdings nichts Neues anfangen. Mein Leitwort dieses Jahr ist nämlich „Fokus“, und da will ich mich darauf konzentrieren, die Dinge, die ich angefangen haben, weiter zu etwickeln. Mein Klavierspiel zum Beispiel, mit dem ich vor einem Jahr begonnen habe.
    Ich mache höchstens eine Ausnahme für „Zehn-Finger-blind“.
    Viel Erfolg beim Zeichnen, Deine Stefanie
    PS: In meinem liebsten Zeichenbuch “ Knaurs Mal-und Zeichenbuch“ steht übrigens der Satz: „Zeichnen Sie nur, was Sie sehen“, (nicht das, wovon Sie wissen, das es da ist). Dabei wird die Kugel zum Kreis, das Buch oder das Haus zum Viereck usw. Macht das ganze einfacher. 🙂

  3. Antworten

    Vanessa

    2. Juli 2020

    Liebe Selmin,
    ich bin gerade auf deinen Blogpost gestoßen. Ganz oft habe ich Probleme mit Nähprojekten anzufangen. Auch wenn ich schon ganz lang nähe, in letzter Zeit ist es irgendwie schlimmer geworden. Vielleicht habe ich einfach zu viele Ideen und Stoffe im Kopf. Wenn ich mal drin bin ist es meist kein Thema mehr weiterzumachen und das weiß ich eigentlich auch… ABER trotzdem habe ich Angst den schönen Stoff zu verhunzen, dass das Teil nicht so wird wie ich es mir vorstelle oder, oder, oder… jetzt habe ich eine Schneiderpuppe geschenkt bekommen und möchte mich ins Upcyclen und eigene Schnitte an mir selbst erstellen einarbeiten. Aber ich trau mich einfach gerade noch nicht so viel 😀
    Es ist einfach schön zu lesen, dass es auch Profis so geht 😀 Danke für den tollen Blogeintrag! LG Vanessa

  4. Antworten

    Jana

    29. Januar 2021

    Lieben Dank für die tollen Tipps! Ich habe mir für das jetzt angefangene Jahr vorgenommen, meine sprachlichen Fähigkeiten auszubauen und auch direkt ein Rhetorik Seminar gebucht. Einfach anfangen 🙂

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